Heileurythmie

 
 
Theodor Hundhammer
Heileurythmie-Therapeut
 
Fotografie: Raul Surace

Fotografie: Raul Surace

 

Der Weg zu den therapeutischen Potenzialen der Heileurythmie ist ein Weg zu sich selbst. Durch sanfte, meditative Bewegungsformen regt der Praktizierende seine Energieströme und deren Formkräfte bewusst an und lernt, mit ihnen einen Heilungsprozess zu bewirken. Dazu ist eine Übereinstimmung von Bewegung, seelischer Präsenz und bewusster Selbstwahrnehmung notwendig.

 
 

«KRANKHEIT IST EINE VERSCHIEBUNG IM GESAMTSYSTEM»

«Jeder Mensch ist Eurythmie», sagt Theodor Hundhammer. «Der Wortteil ‹Eu› steht für das Allumfassende, für die Kraft des Herzens und für die Mitte, ‹rythmie› beschreibt das Zusammenspiel von Gegensätzen.» Theodor Hundhammer stammt ursprünglich aus Oberbayern. «In der Schweiz lebe ich seit 2005», erzählt er. «Ich schätze die Schweizer Mentalität sehr und kann viel von ihr lernen. Mit meiner Partnerin Monika lebe ich seit sechs Jahren im Berner Seeland. Ich betreibe Heileurythmiepraxen in Bern und in Biel.»

 

Mit achtzehn Jahren hat er mit dem Segelfliegen begonnen, weshalb er später an der TU Braunschweig Maschinenbau studierte und die erste Hälfte des Studiums ganz der Konstruktion, dem Bauen und dem Fliegen von Experimental-Segelflugzeugen widmete. «Ich wollte aber nur so lange Maschinenbau studieren, bis ich den Sinn des Lebens fände, um dann diesem zu folgen. Da dieser nicht von selber auftauchte, machte ich mich im sechsten Semester auf die Suche.» Es folgten Etappen als Bühnenhelfer am Goetheanum Dornach, wo er die Anthroposophie kennenlernte, ein Jahr im Tessin als Praktikant in der anthroposophischen Heilpädagogik und eine Ausbildung zum Erzieher in Steiner-Kindergärten. «Danach beschloss ich, das Studium fortzusetzen. Ich wollte irgendwie zeigen, dass sich Leute wie ich nicht vom System einer technischen Ausbildung abschrecken lassen», schmunzelt Theodor Hundhammer. «Ich beschäftigte mich von da an mit dem Thema Anthroposophie und Technik und absolvierte den zweiten Teil des Studiums mit den Schwerpunkten Getriebelehre und Fabrikbetrieb.»

Anschließend arbeitete Theodor Hundhammer vier Jahre als Ingenieur. Danach entschloss er sich für ein Eurythmie-Studium in Holland und Amerika. Dies führte ihn zu einer Tätigkeit als Eurythmie-Lehrer an der Rudolf-Steiner-Schule Wuppertal, dann zur Heileurythmie-Ausbildung und zuletzt zur Praxisgründung in Bern und Biel. Heute arbeitet er an zwei Vormittagen als Heileurythmist in einem Behindertenheim im Jura, die übrige Zeit in seinen Praxen. Er ist Vizepräsident des Heileurythmie Berufsverbandes Schweiz und Autor von Artikeln und Büchern über die Grundlagen und die Anwendung von Heileurythmie. «Mittlerweile werde ich auch aus dem nichtanthroposophischen Sektor angefragt, heileurythmische Beiträge bei Fortbildungen zu leisten. Insofern hat meine publizistische Arbeit der letzten Jahre doch bereits über den relativ kleinen Kreis anthroposophisch ausgerichteter Menschen hinaus gewirkt», konstatiert Theodor Hundhammer. «Um die erkenntnismäßige Ausrichtung meiner therapeutischen Arbeit durch aus meiner Sicht dazugehörige Körpererfahrungen zu balancieren, beschäftige ich mich intensiv mit dem argentinischen Tango. Mein Interesse für Aikido ruht zurzeit, aber ich habe fest vor, auch diese Aktivität aufzugreifen, sobald die Zeit es zulässt», beschließt Theodor Hundhammer die Ausführungen zu seiner Person.

 

Heileurythmie

«Heileurythmie beruht auf der Erkenntnis, dass Krankheiten eigentlich nichts anderes sind als Verschiebungen und Irritationen im ‹Gesamtsystem Mensch›. Es geht also, will man diesen Krankheiten vorbeugen, darum, solchen Verschiebungen entgegenzuwirken und das ‹Gesamtsystem› wieder zur Wirksamkeit zu bringen.» Theodor Hundhammer erläutert, warum es zu diesen Verschiebungen kommt: «Wir zwingen unseren Körper permanent, äußere Bewegungen und innere Prozesse auszuführen, die er natürlicherweise eigentlich nicht würde machen wollen. Unser Körper will, zum Beispiel, von seiner Natur aus nicht unbeweglich in einem Auto sitzen und nur Pedale und ein Lenkrad bedienen oder unter Stress Entscheidungen treffen, die noch nicht reif sind. Die Beispiele lassen sich fast endlos vermehren.» In der Heileurythmie lasse man den Körper die seinem eigenen System entsprechenden Bewegungen ausführen, um dadurch diese Verschiebungen zu kompensieren. «Heileurythmie wird heute vielerorts therapiebegleitend eingesetzt, und sie ist ein wichtiger Bestandteil der anthroposophischen Medizin», erklärt Theodor Hundhammer.

 

«Es läuft»

Nach anthroposophischem Verständnis wird der Körper des Menschen nicht nur «mechanisch» versorgt, das heißt mit Nahrung und Sauerstoff als «Treibstoff». Es sind darüber hinaus eine ganze Reihe anderer Energien wirksam. «Es gilt, diesen ‹Energiekörper› möglichst vollumfänglich zugänglich zu machen», erklärt Theodor Hundhammer. «Wenn uns dies gelingt, dann werden wir nicht mehr einfach ‹strammstehen›, sondern spüren, wie uns die Energie dazu bringt, aufrecht zu stehen, wenn wir dies wollen. Es gilt, in einen achtsamen Kontakt mit diesen Energien zu kommen und zu spüren, wie ‹es› läuft, anstatt dass ‹ich› laufe.» Das Wissen um die natürlichen Abläufe sei in den verschiedenen Prozessen unserer Zellen gespeichert. Wir müssten es nur wahrnehmen und damit wieder zum Leben erwecken. Dazu sei aber, so Theodor Hundhammer, unser Wollen und Tun gefordert: «Potenziale müssen an die Hand genommen werden, die klopfen nicht einfach irgendwann an!»

 
 
Jeder Mensch ist Eurythmie.
 
 

Ein Weg zu sich selbst

«Der Weg zu den Potenzialen der Heileurythmie ist ein Weg zu sich selbst», ist Theodor Hundhammer überzeugt. «Man regt seine Energieströme und deren Formkräfte über die eigene Bewegung bewusst an und lernt, mit ihnen einen Heilungsprozess zu bewirken. Wenn wir unsere Potenziale kennen, helfen sie uns, unsere Aufgaben zu meistern, ignorieren wir sie, dann werden wir durch Erkrankung aufgefordert, uns auf die Suche nach ihnen zu machen!» In den letzten zwanzig Jahren habe sich einiges verändert, die Menschen brächten heute andere Potenziale mit als früher, hat Theodor Hundhammer erkannt. «Unabhängig von ihrem Alter spüren Menschen mehr von ihren energetischen und aurischen Vorgängen, als dies früher der Fall war. Das gilt für den sozialen Umgang miteinander genauso wie für das Verhältnis zum eigenen Körper.» Dieses Spüren zu fördern und dadurch zu ermöglichen, dass sich mehr Bewusstheit entwickelt, sei deshalb auch ein Beitrag zur Förderung der Harmonie im Zusammenleben der Menschen und damit im eigentlichen Sinne Friedensförderung. Dieses ‹Spüriger- Werden› der Menschen motiviert Theodor Hundhammer: «Wenn ich vor zwanzig Jahren jemandem gesagt hätte: ‹Greif mal mit den Händen unten vor dich hin und ströme mit ihnen auf! Merkst du, wie es gleichzeitig in dir hinunterströmt?›, wäre ich wahrscheinlich ziemlich konsterniert angeschaut, wenn nicht gar als bekloppt bezeichnet worden. Heute machen die Leute das mit, ohne mit der Wimper zu zucken.» Diese sich immer stärker zeigende Bereitschaft und Offenheit ebne das Feld für komplementäre Therapieansätze und bringe Menschen den Frieden mit ihrem Körper statt den Krieg gegen Krankheit und Beschwerden.

 

 

HEILEURYTHMIE

Heileurythmie ist eine von Rudolf Steiner im Jahre 1921 begründete Bewegungstherapie. Sie stellt eine spezielle Weiterentwicklung der Eurythmie dar, einer Bewegungskunst, bei der, ausgehend von Gebärden für die einzelnen Laute bzw. Töne, Sprache und Musik durch Bewegungen des ganzen Menschen oder von Menschengruppen sichtbar gemacht werden.

In der Heileurythmie werden diese Bewegungen so ab- und umgewandelt, dass sie auf den Ausübenden zurückwirken und die Kräfte anregen, die der Bildung und den Funktionen des Organismus zugrunde liegen. Sie werden gezielt als therapeutisches Mittel eingesetzt, sodass Prozesse angeregt werden, die der jeweiligen Krankheit entgegenwirken.

Bei einer Heileurythmie-Behandlung kommen Bewegungen und Bewegungsabläufe zum Einsatz, die speziell auf das jeweilige Krankheitsbild und die individuelle Konstitution des Klienten zugeschnitten sind. Der Erfolg der Behandlung wird unterstützt, wenn der Klient die Bewegungsfolgen zu Hause regelmäßig übt.

Heileurythmie gehört zu den wichtigsten Therapiemethoden der anthroposophischen Medizin, die sich als Erweiterung der naturwissenschaftlichen Medizin versteht und den Menschen als Ganzheit von Körper, Seele und Geist betrachtet.

Heileurythmie spricht den Klienten differenziert als eigenständige Persönlichkeit an; sie stärkt die Lebenskräfte, wirkt auf die körperlichen, seelischen und geistigen Prozesse gestaltend ein und regt die Selbstheilungskräfte an.

Heileurythmie findet in der Regel als Einzeltherapie mit ärztlicher Verordnung statt und erfolgt nach Aufstellen eines individuellen Therapieplanes, den der Therapeut oder die Therapeutin auf die jeweilige Situation mit dem Klienten abstimmt.

Heileurythmie findet Anwendung bei fast allen konstitutionellen, chronischen und akuten Erkrankungen, unter anderem bei akuten und degenerativen Nerven-, Stoffwechsel-, Herz- und Kreislauferkrankungen, in der Psychosomatik und Psychiatrie, bei kindlichen Entwicklungsstörungen, Augenleiden, Zahnfehlstellungen und Muskelerkrankungen. Angeboten wird Heileurythmie in freien Praxen, Kliniken, Sanatorien, Altersheimen, heilpädagogischen und sozialtherapeutischen Einrichtungen, Sonderschulen und Waldorf- bzw. Steinerschulen.

Literaturhinweise:

  • 2012
    Vom Ort zum Wort – Ein Weg zu den Potentialen der Heileurythmie
    ISBN 978-3-8482-2349-7

  • 2014
    Heileurythmie – Quo Vadis? Thesen und Denkansätze, Visionen und Aktionen
    ISBN 978-3-7357-8164-2

 
 
 
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Die Nöte der Asylsuchenden ebenso ernst nehmen wie die Ängste der Einheimischen

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